Iran gegen Israel
Ein Konflikt zwischen Archetypen moderner Politik mit einem vorhersehbaren Ende
Iran hat sich gegen den mörderischen und illegalen Angriff Israels auf sein Konsulat in Damaskus gewehrt. Die Reaktion Teherans war legitim, vorbildlich zurückhaltend und ausgesprochen human. Um es noch einmal zusammenzufassen: Nach internationalem Recht (einschließlich der UN-Charta) hatte der Iran ein genuines Recht auf Selbstverteidigung (im Gegensatz zu der Fake-Version, die Israel üblicherweise beansprucht), insbesondere angesichts der Tatsache, dass der UN Sicherheitsrat untätig blieb.
Teheran hat die unvermeidliche Vergeltung dabei auf äußerst moderate Weise ausgeübt, indem sein Angriff Militärstandorte ins Visier nahm (und anscheinend nur solche, die mit dem israelischen Damaskus-Angriff in Verbindung standen), es reichlich Vorwarnungen gab und am Ende keinen einzigen toten Zivilisten. (Die Israelis behaupten, dass auch keine Militärangehörigen getötet wurden. Das mag aufgrund der großzügigen Warnungen Teherans durchaus stimmen. Aber es wäre auch im Interesse Tel Avivs, in dieser Angelegenheit zu lügen – und Lügen ist Israelische Standardeinstellung .) Es ist eine empirische Tatsache: Zionistische Barbaren schlachten Zehntausende Palästinenser ab; die Iraner sind zivilisierter.
Statt sich, im Israelstil, in einem völkermörderisch-psychotischen Anfall auszutoben, hat Teheran geschickt seine Botschaft übermittelt: Die Tage der „strategischen Geduld“ sind vorbei; von nun an wird Israel mit einem Angriff auf sein eigenes Territorium bezahlen, wenn es den Iran angreift. Das ist eine grundlegende Kursänderung. Gleichzeitig haben iranische Beamte aber auch deutlich gemacht, dass die aktuelle Eskalation, die durch den israelischen Angriff in Damaskus ausgelöst wurde, jetzt aufhören kann, soweit es von Teheran abhängt.
Tel Aviv ist jetzt am Zug. Dort droht man mit weiteren Schlägen. In diesem Fall, warnt wiederum der Iran, werde die Teherans Reaktion härter ausfallen. Russland und China haben beide signalisiert, dass sie den Iran nicht im Stich lassen werden. Da sind wir mal wieder: Auf Messers Schneide, wie immer heutzutage.
Hier möchte ich einen Aspekt dieser Krise innerhalb der permanenten Multikrise ansprechen, der meiner Meinung nach zu wenig Beachtung gefunden hat. Dass der Konflikt zwischen Israel und Iran fast ein halbes Jahrhundert alt ist, ist bekannt. Dass Teheran im Zentrum einer „Achse des Widerstands“ gegen Tel Aviv steht ebenso. Die Hisbollah oder der Jemen (in westlichen Kommentaren oft abwertend auf „die Houthis“ reduziert) sind, zum Beispiel, keine iranischen „Proxies“ (eine weitere beliebte westliche Karikatur im Stil des Kalten Krieges), aber es besteht kein Zweifel daran, dass sie Teil einer Koalition sind, die Israel abschreckt und Widerstand leistet.
Doch selbst dieser umfassendere Blickwinkel – so nützlich er auch ist – lässt eine Schlüsseldimension der Konfrontation zwischen Teheran und Tel Aviv außer Acht oder nimmt sie zumindest nur stillschweigend an. Und ich beziehe mich dabei nicht auf den Faktor Religion. Vielmehr neigen wir dazu, zu wenig darüber zu sprechen, dass es sich hier nicht nur um einen Zusammenprall von Regimen, sondern geradezu archetypischer politischer Kräfte der modernen Geschichte handelt. Lassen wir ideologische Details und Rhetorik, sowohl feindselige als auch entschuldigende, für einen Moment beiseite. Versuchen wir, uns auf tiefere Strukturen und grundlegende Kategorien zu konzentrieren.
Aus dieser Sicht ist der Iran, was auch immer man über sein innenpolitisches Regime denken mag, ein klassischer Fall eines erfolgreichen revolutionären Nationalstaats. Um genau zu sein, ein revolutionärer Nationalstaat aus dem Tel der Welt, den wir heute den globalen Süden nennen, also dem großen – eigentlich überwiegenden – Teil der Menschheit, der nicht vom europäischen und nordamerikanischen Imperialismus profitierte, sondern von ihm zum Opfer gemacht und ausgebeutet wurde.
In dieser Hinsicht steht der Iran, ähnlich wie Kuba, nicht nur für eine Revolution dar mindestens ebenso sehr gegen den Westen (insbesondere seine Führungsmacht nach dem Zweiten Weltkrieg, die USA) wie gegen die inländischen Eliten, die ihm gedient haben. Der Iran steht auch, wiederum wie Kuba, für eine jahrzehntelange erfolgreiche Verteidigung der so entstandenen postrevolutionären Ordnung gegen massiven Druck aus dem Westen, ausgeübt durch Stellvertreterkriege, Destabilisierungskampagnen, Subversion, Propaganda und natürlich Blockade.
Israel ist mindestens genauso typisch, gehört aber zu einer völlig anderen Kategorie: Das zionistische Apartheidregime, das ohne ethnische Säuberung und Völkermord buchstäblich nicht existieren könnte, ist die Quintessenz der weißen Siedlerkolonie. Es wird auch die letzte sein. (Während Fälle wie die USA und Australien beispielsweise ihre Gründungsprojekte des Diebstahls und der ethnischen Säuberung „erfolgreich“ abgeschlossen haben, ist Israel zu spät gekommen und wird scheitern.)
In geopolitischer Hinsicht fungiert Israel als Außenposten regionaler Machtprojektion des Westens, insbesondere der USA. Es ist wahr, dass die Beziehung zwischen Washington und Tel Aviv durch die Tatsache kompliziert wird, dass Israel auch die erfolgreichste Operation zur ausländischen Einflussnahme in der Geschichte der USA durchgeführt hat (die wir normalerweise unter der Bezeichnung „Israel-Lobby“ zusammenfassen, was ihr kaum gerecht wird hinsichtlich Verbreitung, Umfang, und Wirkung). Infolgedessen ist Israel ein Außenposten, der häufig das Hauptquartier dominiert. Doch das ändert nichts an den Grundlagen der Beziehung, die Israel nie völlig umkehren können wird. Was, siehe oben, eine Rolle bei seinem endgültigen Untergang spielen wird.
Obwohl nicht jeder Zionist ein Faschist gewesen ist, ist der Zionismus als Ganzes natürlich eine Variante des Faschismus: militaristisch, rassistisch, rechtlich nihilistisch, sadistisch und natürlich undemokratisch (nein, ein Staat, der über Millionen von entrechteten „Besetzten“ herrscht, die gelegentlich massakriert werden, ist keine Demokratie). Israels tiefgreifende und gewaltgesättigte Privilegierung einer ethnisch definierten Herrenschicht ähnelt eher dem Nazi-deutschen Konzept der „Volksgemeinschaft“ – natürlich kein demokratischer Begriff, auch wenn darin das Wort „Volk“ vorkommt.
Und noch eine letzte, strukturelle Beobachtung: Im derzeitigen historischen Moment, der gerade erst beginnt, ist Israel untrennbar mit der recht jungen und doch schon so alten, auf den Westen ausgerichteten, „regelbasierten“ Weltordnung verkettet, d.h. der neuesten und jüngsten Weltordnungsversion des Westens, die dazu dient, sich ungerechtfertigte globaler Privilegien zuzuschreiben. Iran jedoch ist – was auch immer man von seiner Innenpolitik halten mag – ein Vertreter der unaufhaltsam (es sei denn durch einen Dritten Weltkrieg, der keinerlei Ordnung hinterlassen würde) entstehenden neuen multipolaren Welt, als Mitglied der BRICS+, das, wie die aktuelle Krise erneut gezeigt hat, von China und Russland unterstützt wird.
Die Frage ist nicht nur, welcher dieser beiden Staaten in den nächsten, sagen wir, fünfzig bis hundert Jahren erfolgreich sein wird. Die Frage ist, welcher sie übersteht.
Sehr geehrter Herr Amar, in einer vergleichbaren Darstellung zu der İhrigen hat der türkische Politolıge Süleyman Seyfi Öğün den Unterschied zwischen dem Verhalten von İran und İsrael als ‘konform mit der westphaelischen Vorgehensweise (İran)’ und ‘vor-westphaelisch (İsrael)’ bezeichnet